Optimierter Pflanzenschutz für die Zierpflanzenproduktion

 

bild5 smallAnnotierte Gelbkarte (links) und Abbildungen der Schadinsekten (rechts), die in dem Projekt KI-gestützt automatisiert erkannt werden sollen © M Polreich JKI; R Wilke, M Rusinger, L Rehling, LWK-NRW

Hintergrund

Für rechtzeitige und sinnvolle Pflanzenschutzmaßnahmen im Zierpflanzenanbau unter Glas sind zuverlässige Informationen zur Populationsentwicklung von Schädlingen und Nützlingen sowie zu den Klimaverhältnissen im Bestand essenziell. Die übliche Schädlingserfassung durch regelmäßiges Begutachten von Gelbtafeln im Bestand ist arbeitsintensiv und beansprucht Fachpersonalkapazität. Die punktuelle Erfassung der Klimadaten im Gewächshaus erschwert den direkten Rückschluss auf einzelne Kultursätze insbesondere, wenn diese im Kulturverlauf z.B. mit Mobiltischen in und zwischen Gewächshäusern bewegt werden.

Projektziel

In dem Verbundprojekt „Smart Checkpots - Optimierter Pflanzenschutz für die Zierpflanzenproduktion“ wird ein automatisiertes, mobiles Monitoringsystem zum Schädlingsbefall sowie zur Temperatur- und Luftfeuchtemessung im Bestand entwickelt. Das System besteht aus Schwärmen von vernetzten Checkpots, die als „künstliche Pflanzen“ zwischen den Kulturpflanzen platziert und mit ihnen durch den gesamten Produktionsprozess bewegt werden. Durch jeden Checkpot werden in definierten Zeitintervallen Bilder der mitgeführten Gelbtafel sowie die Temperatur und rel. Luftfeuchte im Bestand erfasst. Diese Daten dienen zur Visualisierung von Schädlingsaufkommen und Pilzbefallrisiko sowie als Eingangsparameter für Entscheidungshilfemodelle zu Maßnahmen des Pflanzenschutzes. Eine integrierte radiometrische Erfassung der Checkpotpositionen gewährleistet die permanente Zuordnung der erhobenen Daten zu den überwachten Kultursätzen und ermöglicht eine satzgenaue Maßnahmenentscheidung.

Prototyp des Smart Checkpots für den Proof of Concept mit Kennzeichnung der funktionalen Hauptkomponenten
Prototyp des Smart Checkpots für den Proof of Concept mit Kennzeichnung der funktionalen Hauptkomponenten © W Raaz, BLab

Methode

Die Smart Checkpots sind mit handelsüblichen Gelbkarten sowie mit digitalen Komponenten zur Bilderfassung, Temperatur- und Luftfeuchtemessung, Positionsdatenermittlung und Datenübertragung ausgerüstet. Die Energieversorgung erfolgt über eine mitgeführte austauschbare Powerbank. Die konstruktive Integration der Komponenten erfolgt mit 3D gedruckten Bauteilen in einen Standardtopf mit 10 cm Durchmesser, so dass die Checkpots mit dem Pflanzenbestand durch alle ggf. automatisierten Transport-, Anbau- und Arbeitsprozesse bewegt werden können. Eine Anpassung auf größere Topfkulturen erfolgt bei Bedarf leicht mit Topf-in-Topf Adaptern. Die dynamisch erfassten Bild-, Klima- und Positionsdaten werden von den Checkpots per WLAN zu einem Server übertragen. Nach der KI-basierten Datenverarbeitung und -aufbereitung können die Populationsentwicklung der erfassten Schädlinge und Temperatur- und Luftfeuchtedaten im Bestand auf verschiedenen Endgeräten (z.B. Smartphone, Tablet) visualisiert werden. Über die integrierte Positionsdatenerfassung ist jederzeit eine Zuordnung zu den Kultursätzen und eine präzise Lokalisierung im Gewächshaus möglich. Die Informationen stehen dem Anwender unmittelbar als Entscheidungshilfe für den rechtzeitigen Einsatz der optimalen Pflanzenschutzmaßnahmen zur Verfügung.

Derzeitige Ergebnisse

  • Proof of Concept: Nachweis der automatisierten Messdatenerhebung und –übertragung auf den Server im Probebetrieb mit drei Prototypen unter Realbedingungen im Gewächshaus. Der Schwerpunkt lag auf der Genauigkeit der Positionsdatenerfassung (Fehlergrenze < 1m).
  • Entwicklung des Datenmanagementsystems und der Benutzerschnittstelle zur Visualisierung der Messdaten auf verschiedenen Endgeräten.
    bild2 smallExemplarische Screenshots der entwickelten Benutzerschnittstelle zur Visualisierung der Messdaten auf verschiedenen Endgeräten © D Jahnke, GID. Free Icons: www.flaticon.com 
  • Spektralanalytische Vermessungen von vier Schadinsekten (Thrips, Weiße Fliege, Trauermücke, Zikade) und der verwendeten Gelbkarten, um die Wellenlängenbereiche mit den größten Unterschieden in den Reflektionsspektra zu bestimmen. Die Ergebnisse flossen in die Farbauswahl der eingesetzten LED-Beleuchtung bei der Bilderstellung ein, um möglichst rauscharme Daten zu generieren.
    bild3 smallSpektralanalytische Vermessung der Reflexionsspektra der verwendeten Gelbkarte und von 4 Schadinsekten: Thrips, Trauermücke, Weiße Fliege, Zwergzikade. Dargestellt sind jeweils die vermessenen Proben (gestrichelt, n = 5) und der Mittelwert (durchgezogen). Das Ergebnis dient zur Auswahl geeigneter Wellenlängen zur LED-Belichtung der Gelbkarten bei der Bilderstellung © J Vaske, BLab 
  • Implementierung eines Algorithmus zur Kompensation des sogenannten lens-shading-Effektes bei den Gelbtafelaufnahmen. Durch diese Maßnahme der Rauschreduktion in den Gelbtafelaufnahmen wird die Segmentierung der Schadinsekten optimiert.
    bild4 smallErgebnisse der lens-shading-Kompensation. Dargestellt sind exemplarisch die originalen 3D-Grauwertbilder der Gelbkarten (oben) für den roten Farbkanal bei gelber LED-Belichtung, den grünen Farbkanal bei weißer LED-Belichtung und den blauen Farbkanal bei roter LED-Belichtung. Unten sind jeweils die 3D-Grauwertbilder nach Anwendung des Algorithmus zur lens-shading-Kompensation dargestellt. Die Korrektur der linsenbedingten Ungleichmäßigkeit der Bildausleuchtung ist zu erkennen © J Vaske, BLab 
  • Aktueller Arbeitsschwerpunkt: Erstellung und Annotation der notwendigen Insektenbilder zum Trainieren des KI-Algorithmus.
Herr Prof. Dr. Thomas Rath (t.rath@hs-osnabrueck.de)
Herr Dipl.-Ing. Waldemar Raaz (waldemar.raaz@web.de )
  • © Waldemar Raaz, J. Vaske, Hochschule Osnabrück - Labor für Biosystemtechnik (BLab); Marcella Polreich, Julius Kühn-Institut (JKI); Rainer Wilke, Leon Rehling, M. Rusinger, Landwirtschaftskammer NRW (LWK-NRW); D. Jahnke, GeoInformationsDienst GmbH (GID)